Spitalplanung: Spitalstrukturen bereinigen und Trend zur ambulanten Behandlung berücksichtigen

22.05.2025

Darum geht es

Die Kompetenz zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung obliegt gemäss Bundesverfassung den Kantonen. Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) regelt, dass die Kantone im Rahmen ihrer Spitalplanung die Zulassung der Spitäler, die zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) abrechnen, mittels Spitallisten und der damit verbundenen Erteilung von Leistungsaufträgen steuern.

Gemäss KVG sind die Kantone angehalten, ihre Spitalplanung nach dem Bedarf auszurichten. Die Planungskriterien werden in der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) definiert. Ziel der Spitalfinanzierung und der bedarfsgerechten Spitalplanung ist es, den Wettbewerb unter den Spitälern zu fördern und eine Strukturbereinigung der Spitallandschaft zu erreichen. Dies dämpft das Kostenwachstum und sichert die Behandlungsqualität.

Seit dem 1. Januar 2024 verfügen die Verbände der Krankenversicherer nach Art. 53 Abs. 1bis KVG über ein Beschwerderecht. prio.swiss beteiligt sich als Vertreterin der Versicherer an Vernehmlassungen zu den Spitalplanungen und möchte die Spitalplanungen der Kantone partnerschaftlich begleiten. prio.swiss erhebt bei grober Verletzung der Planungskriterien  Beschwerde gegen kantonale Beschlüsse zu Spitallisten.

Position von prio.swiss

Eine Spitalplanung muss den aktuellen Herausforderungen Rechnung tragen und die Grundlage für die Gesundheitsversorgung der Zukunft schaffen. Eine anstehende Spitalplanung ist als Chance zu sehen, die bestehende kantonale Spitalinfrastruktur kritisch und ergebnisoffen zu hinterfragen. Dies passiert aktuell zu wenig. Bestehende und teilweise nicht nachhaltige Spitalstrukturen werden ohne kritische Auseinandersetzung erhalten.

Für prio.swiss ist zentral, dass sich die Kantone bei der Spitalplanung an die Planungskriterien gemäss KVG und KVV halten. Die Entwicklung hin zu vermehrt ambulanten statt stationären Behandlungen ist ebenfalls zu berücksichtigten. Dabei sind die Interessen der OKP und damit die Grundsätze für eine bedarfsgerechte, zweckmässige und qualitativ hochstehende Leistungserbringung einzuhalten.

prio.swiss ist überzeugt, dass das Denken in grösseren, kantonsübergreifenden Versorgungsräumen eine qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung und einen verantwortungsvollen Umgang mit begrenzten Ressourcen ermöglicht. Eine Stärkung der interkantonalen Koordination ist eine zwingende Voraussetzung, um dies zu erreichen. Die Spitalplanung soll in der Kompetenz der Kantone bleiben.

Begründung

Interkantonale Koordination ist zu stärken

Die vorhandenen Ressourcen sind strategisch und operativ zu bündeln, um die Behandlungsqualität zu erhöhen und das Kostenwachstum zu dämpfen. Nur so werden die Prämien- und Steuerzahlerinnen und -zahler nicht übermässig belastet.

Mit der Spitalplanung ist das stationäre Angebot bedarfsgerecht zu bestimmen. Bedarfsgerecht ist eine Spitalplanung dann, wenn ein Kanton die Spitalversorgung mit anderen Kantonen koordiniert. Dieser Verpflichtung kommen die Kantone bisher kaum nach. Vereinzelt sind Ansätze von kantonaler Zusammenarbeit vorhanden. Diese beschränken sich allerdings auf die Auswertung der interkantonalen Patientenströme sowie die gemeinsame Analyse und Prognose des Bedarfs. Eine aufeinander abgestimmte Erteilung der Leistungsaufträge innerhalb einer Planungsregion findet kaum statt. Eine gemeinsam abgestimmte Planung und Erteilung der Leistungsaufträge würde ermöglichen, dass Leistungsangebote unabhängig von Kantonsgrenzen geografisch sinnvoll, konzentriert und mit höheren Fallzahlen sowie höherer Qualität angeboten werden könnten.

In der Regel führt die fehlende Koordination zu Überkapazitäten. Die nicht ausgelasteten Kapazitäten führen zu Fehlanreizen. Anstelle der gewollten Strukturbereinigung und Kosteneindämmung führt die kleinräumige Spitalplanung zu einem verzerrten Wettbewerb und zu übermässigem Kostenwachstum. Diese Entwicklung ist nicht im Interesse der Prämien- und Steuerzahlerinnen und -zahler.

Die zurückhaltende Umsetzung der interkantonalen Koordination wird in verschiedenen parlamentarischen Vorstössen auf nationaler Ebene bemängelt. Den Forderungen dieser Vorstösse ist zu folgen. Um eine sachgerechte und wirksame interkantonale Spitalplanung zu erreichen, ist im Gesetz verbindlich festzuhalten, dass die Kantone die Leistungsaufträge aufeinander abgestimmt und gemeinsam erteilen müssen. Kommen die Kantone den gesetzlichen Bestimmungen zur Koordination nicht nach, soll der Bund subsidiär intervenieren können. Eine zentralisierte Spitalplanung durch den Bund erachtet prio.swiss allerdings als nicht sachgerecht.

Wenn möglich ambulant statt stationär behandeln

Eine bedarfsgerechte Spitalplanung umfasst aus Sicht prio.swiss auch eine angemessene Berücksichtigung der Entwicklung hin zu vermehrt ambulanten statt stationären Behandlungen.

In der Akutsomatik, der stationären Rehabilitation und der stationären Psychiatrie ist erhebliches Potenzial zur Verlagerung von Behandlungen in den ambulanten Bereich vorhanden. Finanzielle, tarifarische und systemische Fehlanreize führen allerdings dazu, dass Behandlungen nicht immer im medizinisch sinnvollen und ökonomisch effizienten Setting stattfinden. Im November 2024 haben die Schweizer Stimmberechtigten der einheitlichen Finanzierung aller Gesundheitsleistungen (EFAS) zugestimmt. Mit der einheitlichen Finanzierung werden alle Gesundheitsleistungen – unabhängig ob diese ambulant oder stationär erbracht werden – nach demselben Verteilschlüssel finanziert. Die einheitliche Finanzierung wird dazu beitragen, die heutigen Fehlanreize zu beseitigen und die Ambulantisierung zu beschleunigen.

In den Bedarfsprognosen ist daher die Ambulantisierung und der damit verbundene Abbau von stationären Kapazitäten zu berücksichtigen. Gleichzeitig ist immer auch dem Aspekt der Versorgungssicherheit im Bereich der Grundversorgung Sorge zu tragen. Die Sicherstellung der Grundversorgung wird insbesondere in peripheren Regionen zunehmend zu einer grossen Herausforderung. Es ist zu erwarten, dass die stationären Strukturen – wie vom Gesetzgeber gewollt – zunehmend reduziert werden. Haben diese stationären Spitalstrukturen dazu beigetragen, die Grundversorgung sicherzustellen, so sind alternative Anlaufstellen vorzusehen.

Der Gesetzgeber beabsichtigte mit Einführung der neuen Spitalfinanzierung im Jahr 2012 den Wettbewerb unter den Spitälern zu stärken. Neben den beiden Aspekten der Koordination und der Verlagerung in den ambulanten Bereich sind die Kantone vor der Vergabe der Leistungsaufträge verpflichtet, sowohl öffentliche als auch private Spitäler angemessen zu berücksichtigen und die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Spitäler zu prüfen. Dabei soll der wettbewerbliche Gedanke auch bei der Vergabe der Leistungsaufträge gelebt werden, so dass die innovativsten und effizientesten Spitäler zulasten der obligatorischen Krankenversicherung abrechnen.

Setzen die Kantone die Spitalplanung konsequent nach den Vorgaben im Gesetz und der Verordnung um, führt dies zu einer wirtschaftlicheren und qualitativ besseren Spitalversorgung, die langfristig für Prämien- und Steuerzahlerinnen und -zahler finanziell tragbar ist.

Bern, Mai 2025